Schlagwort: ISEK
Von 2010 bis 2013 wurde vom Büro Pesch & Partner in Zusammenarbeit mit WGF Landschaftsarchitekten ein ‚integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept‘ – kurz ISEK – für Sonthofen erstellt. Ein solches Konzept zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der gesamte Stadtraum betrachtet wird, nicht nur die konkret zu beplanenden Stellen im Ort. Nach städtebaulichen Maßstäben ist dies wichtig, damit aus den neuen und den bestehenden Stadt(bestand)teilen eine möglichst harmonische Einheit wird.
Ein solches integriertes Entwicklungskonzept wird vor allem dann erstellt, wenn ein Ort vor größeren Herausforderungen durch einen Strukturwandel steht (wie Sonthofen durch den Wegfall von Jäger- und Grüntenkaserne) und damit auf Gelder aus dem Bundesförderprogramm „Stadtumbau West“ angewiesen ist.
Der gesamte ISEK-Prozess wurde von einem intensiven Dialog zwischen Stadtverwaltung, Gemeinderat, Bürgerschaft und vieler lokaler Akteure aus Bereichen wie Soziales, Wirtschaft, Naturschutz, Tourismus begleitet. Damit wurde gewährleistet, dass das ISEK möglichst alle städtischen und stadtgesellschaftlichen Belange berücksichtigt und eine hohe Akzeptanz, vor allem bei der Bürgerschaft erreicht. Diese ist besonders für den Stadtrat und für die Sicherheit bei dessen Entscheidungsfindungsprozessen von hoher Bedeutung. Hier muss erwähnt werden, dass die Stadt Sonthofen aus eigenem Antrieb mehr Menschen an dem Prozess beteiligt hat, als dies „standardgemäß“ bei einem ISEK üblich ist.
Für die oben erwähnte Gesamtbetrachtung Sonthofens wurde die Stadt zunächst unter vielen verschiedenen Gesichtspunkten untersucht. Dazu zählten z.B. der Verkehr, die baulichen und die Grünstrukturen, die Nutzungsverteilung (Einzelhandel, Gastronomie, Wohnen, Gewerbe, öffentliche / städtische Nutzung, touristische Infrastrukturen etc.), aber auch Daten über die Bevölkerungsentwicklung sowie eine Bedarfseinschätzung des Wohnungsmarktes, der Gewerbeflächen, des Fremdenverkehrs und ein Einzehandelsgutachten. Diese ganzheitliche Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung aller relevanter Faktoren die die Ortsentwicklung betreffen, ist übrigens mit dem Begriff „integriert“ gemeint.
Im nächsten Schritt wurden aus diesen Analysen die vorhandenen Stärken und Schwächen von Sonthofen und von den Kasernenarealen aufgezeigt und bewertet. Dieser Schritt ist besonders wichtig, um weitere Planungen nicht aufgrund von Wunschdenken, sondern anhand von tatsächlich vorhandenen Potentialen des Ortes auszurichten.
Diese Potentiale Sonthofens wurden dann in einem weiteren Schritt in so genannten Entwicklungsszenarien zusammengefasst. In diesen Szenarien wurden folgende mögliche „Zukünfte“ der Stadt dargestellt:
– Szenario „Wohnen und Bildung – Attraktive Wohnstadt für alle Generationen / Sonthofen als Bildungsstandort“
– Szenario „Gewerbe – Lokale Wirtschaft und lokales Gewerbe“
– Szenario „Einzelhandel und Tourismus – Tor zu den Alpen“
An dieser Stelle muss betont werden, dass eine Entscheidung für eines der Szenarien nicht etwa bedeutet, dass die anderen Themen nicht mehr, oder nur noch als Nebensache in der Stadtentwicklung bearbeitet werden! Mit dieser Entscheidung bekräftigt die Stadt aber, wo sie selbst am ehesten Entwicklungschancen sieht und gibt sich damit eine Leitlinie, die als „roter Faden“ für künftige Beschlüsse zur Ortsentwicklung dienen soll.
Nach einer ausführlichen Abwägung aller Vor- und Nachteile der einzelnen Szenarien wurde in einem wiederum von der Bürgerschaft unterstützten Verfahren mit einer deutlichen Mehrheit für das Szenario „Wohnen und Bildung“ gestimmt.
Dieses sieht vor, Sonthofen künftig als Standort für „urbanes Wohnen in alpiner Umgebung“ zu prägen. Dabei sollen z.B. Wohnformen für alle Generationen und unterschiedliche Nutzerbedürfnisse entwickelt, die Grünstruktur der Stadt verbessert und
die Verknüpfung der einzelnen Stadtquartiere durch verbesserte Fuß- und Radwegeverbindungen gestärkt werden. Außerdem soll das vorhandene Angebot an Bildungseinrichtungen durch zusätzliche Angebote erweitert und insgesamt die Struktur sozialer Einrichtungen ausgebaut werden.
Der Stadtratsbeschluss, der das Szenario „Wohnen und Bildung“ als Leitlinie der weiteren Ortsentwicklung bestätigte, wurde dann um den zusätzlichen Schwerpunkt „endogene Gewerbeentwicklung“ ergänzt.
Aus Sicht der BAUSTELLE SONTHOFEN ist diese Zusatzentscheidung ein wenig merkwürdig: Wie oben bereits erwähnt, bedeutet der Schwerpunkt „Wohnen und Bildung“ schließlich nicht, die Entwicklung in anderen Bereichen schleifen zu lassen. Selbstverständlich muss die räumliche Entwicklung der vorhandenen Betriebe weiter intensiv unterstützt werden. Die Entscheidung, zusätzlich die „endogene Gewerbeentwicklung“ als Schwerpunkt festzulegen, verwässert jedoch das ursprüngliche Entwicklungsszenario und schwächt dessen Aussagekraft. Damit ist der Beschluss in dieser Form aus fachlicher Sicht nicht sinnvoll (daher werden wir bei der BAUSTELLE SONTHOFEN auch künftig vom Szenario „Wohnen und Bildung“ sprechen).
Neben dem Entwicklungsschwerpunkt „Wohnen und Bildung“ wurden noch eine Reihe von zusätzlichen städtebaulichen Zielen in verschiedenen Handlungsfeldern definiert, die hier nicht alle genannt werden können (nähere Infos siehe…Verlinkung zu www.stadt-sonthofen.de – ISEK). Aus diesen Vorgaben wurden dann von den Planern ein so genanntes Strukturkonzept erstellt, das einen Überblick über die wichtigsten wünschenswerten räumlichen und funktionalen Entwicklungen in Sonthofen geben soll.
Nach einer weiteren „Verfeinerung“ der Ideen, wurden schließlich die wichtigsten Ziele für die Entwicklung des Kasernenareale in einem Plan zusammen gefasst. Dieser mündete wiederum in einen Plan mit den angedachten Entwicklungsstufen der Kasernenflächen und einem zugehörigen Maßnahmenkatalog.
Das ISEK ist aus Sicht der BAUSTELLE SONTHOFEN nichts anderes, als der bedeutendste baukulturelle Schritt Sonthofens seit mehreren Jahrzehnten! Endlich wird die relativ ungeordnete und bruchstückhafte städtebauliche Entwicklung beendet, die einen großen Beitrag zum heterogenen Gesamtbild Sonthofens beigetragen hat. Mit dem ISEK als Fundament besteht jetzt die Chance, der weiteren Ortsentwicklung einen „roten Faden“ zu geben und der Stadt auf Dauer eine Prägung zu geben die sie dringend benötigt.
Die nächsten Schritte (Stand Mai 2017) bei der Entwicklung der Kasernenareale werden teilweise bereits gegangen.
So werden seit einiger Zeit aufwendige Verhandlungen mit dem derzeitigen Eigentümer (BIMA – Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) über den Kaufpreis geführt. Auch hierfür sind die erarbeiteten Ziele aus dem ISEK die Grundlage.
In nicht allzu ferner Zukunft dürfen wir als Verein und als Bürger sicher auch darauf hoffen, dass die bisherige informelle Planung noch stärker mit Leben gefüllt wird, indem z.B. vertiefte Rahmenplanungen für die neuen Stadtquartiere erarbeitet werden, die bereits eine genauere Vorstellung der Bebauung, der Grünanlagen, oder von Nutzungsmöglichkeiten und Gestaltungsvorgaben enthalten könnten.
Natürlich erhoffen wir uns auch, dass der eingeschlagene Weg der Bürgerbeteiligung beibehalten und sogar ausgeweitet wird und auch, dass eine begleitende Wettbewerbskultur zur Selbstverständlichkeit werden wird. Denn die Konversion als Schlüsselelement des Stadtumbaus sollte im Interesse aller Bürger von Sonthofen mit hohem Qualitätsanspruch und größter Sorgfalt betrieben werden. Und dazu wünschen wir der Stadt den Mut und das Selbstbewusstsein zu mehr Baukultur!